#10/Lesung «Nicht ohne Simon» Kari Kälin Autor und Beatrix Smit Simons Mutter

Kindesentführung aus der Schweiz

Ein berührendes Schicksal – als Odyssee aus Hoffen und Bangen

Letzten Freitagabend fand in der Bibliothek Steckborn die Lesung «Nicht ohne Simon» statt. Patrica Fluck, Vizepräsidentin und Karin Schoenenberg, Präsidentin des Trägervereins Mediaborn begrüssten die Mutter von Simon, Beatrix Smit und Linda Grace Rehsteiner sowie ein knappes Dutzend Interessierte. Dem Autor Kari Kälin war es infolge einer schweren Magen-Darm-Grippe leider nicht möglich, nach Steckborn zu kommen. Linda Grace Rehsteiner stützte die bewegenden Erzählungen von Beatrix Smit und fragte mit sachter Gewandtheit nach den erlebten Geschehnissen.

Diese ereigneten sich an einem stürmisch-kalten Novembertag 1981. Ex-Mann Anil Jetly bringt den gemeinsamen Sohn nach dem Vaterwochenende nicht zur Mutter, Beatrix Smit zurück. Schon mehrmals hatte er das Kind zu spät retourgebracht, aber diesmal wuchs die Unruhe und Sorge in ihr ins Unermessliche. Sie besass den Pass des Kindes und auch das alleinige Sorgerecht, doch liess sie der Gedanke ihr Ex-Mann könnte das Kind nach Indien, seine Heimat, gebracht haben nicht los. Nach vielen Stunden des Bangens und der unablöslichen Furcht verständigt sie die Polizei und erstattet tags darauf Strafanzeige gegen Anil wegen «Entziehen von Minderjährigen», ein Antragsdelikt, das mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft wird. Einen weiteren Tag später erhält sie durch ihren emotionalen Telefonanruf bei den Ex-Schwiegereltern die traurige Gewissheit. Vater Anil hat den gemeinsamen Sohn, nicht einmal dreijährig, tatsächlich nach Indien entführt.

Werden Kinder in Staaten verschleppt, welche das Haager Kindesentführungsübereinkommen nicht unterzeichnet haben, hat das Bundesamt für Justiz keine rechtlichen Möglichkeiten, die Rückgabe der Kinder zu verlangen. So auch im Fall von Beatrix Smit. Sie suchte bei verschiedenen Behörden und Institutionen nach Mitteln und um Hilfe, um ihren Sohn von Indien zurückzubekommen und ihr zugesprochenes Sorgerecht durchzusetzen, musste aber erkennen, dass das Schweizer Recht an der Schweizer Grenze endete. Ihre Mutterliebe kennt jedoch keine Grenzen. Trotz der starken psychischen Belastungen und dem Verlust ihrer damaligen Arbeit, weil sie die gewohnten Leistungen nicht mehr erbringen konnte, gab sie nicht auf und engagierte schlussendlich den Fluchthelfer Willy Kantorik. Mit präziser Planung gelang es ihm und Beatrix Smit in einer nahezu unmöglichen Aktion, mit vielen Rückschlägen und Zufällen Simon im Sommer 1983 in die Schweiz zurückzuholen.

"Nicht ohne Simon" von Kari Kälin erzählt diese eindrucksvolle und berührende Geschichte. Das Buch entstand aus geführten Interviews, mit Beatrix Smit und dem heute erwachsenen Simon Smit sowie mit Monique Werro, die die Gruppe gegen die Entführung von Kindern gründete. Eine von vielen Kindesentführungen, die glücklicherweise gut ausgegangen ist. Pro Jahr werden in der Schweiz 100 Fälle von elterlichen Kindesentführungen registriert. Beatrix Smit wünscht sich mit ihren Erzählungen und den Lesungen auf das Thema aufmerksam zu machen und zu sensibilisieren. Interessierte oder Betroffene, dürfen sich unter ks@torkelwerk.ch melden. Gerne gibt Beatrix Smit weitere persönliche Auskünfte auch über Hilfsangebote und Kontaktstellen.